Morgenstern, Stephan

*1951, Bautzen, Deutschland

Er hat die Welt im Fokus, achtet dabei auf jedes Detail, interessiert und zugewandt.  "Ich guck' immer schon. Mein Leben lang. Neugierig halt", sagt er lapidar. Stephan Morgenstern macht nicht viel Aufhebens
um sich und seine Profession, aber ziemlich starke Bilder. Emotionale Momentaufnahmen, die mit einem Blick Geschichten erzählen – von Menschen, Ländern, Lebensumständen, die prägen und authentisch Zeitgeschichte spiegeln.
Morgenstern ist ein präziser Beobachter. Geduldig sucht er mit seiner Kamera die entscheidende Szene, wartet auf den richtigen Moment, der alles Wesentliche fokussiert und spektakulär ins Rampenlicht rückt. So hat er den ostdeutschen Alltag und das Lebensgefühl der Menschen während der Wendezeit von 1990 an dokumentiert. Für zwei Jahre zog der Wahl-Frankfurter dafür nach Leipzig und reiste kreuz und quer durchs Land, dem seine Eltern 1956 mit ihm als Fünfjährigen entflohen sind: von Bautzen ins Allgäu, weiter nach Hannover, schließlich Lauffen am Neckar.
Seine expressiven Schwarz-Weiß-Aufnahmen erzählen von Niedergang, Abwicklung und Aufbruchstimmung, vom prägenden Erbe des Alltags in der DDR, von Hoffnung auf Freiheit, Reisen und Konsum, aber auch von Verlust von Heimat und den dunklen Seiten einer nie aufgearbeiteten Vergangenheit, die bis heute ihre Schatten wirft.

Sehr bewusst hat sich Morgenstern für die Schwarz-Weiß-Dokumentation entschieden. Lassen die zahllosen Nuancen von Grau in all seinen Schattierungen zwischen Weiß und Schwarz, das Spiel aus Licht und
Schatten doch weitaus vielschichtigere und expressivere Bilder erschaffen, in denen keine Farbe ablenkt und das Gezeigte überdeckt. Erzählkunst in Schwarz-Weiß. Gerade in Zeiten digitaler Fototechnik mit
ihren unbegrenzten Möglichkeiten rückt dieses Gestaltungsmittel auch die Kunst der Fotografie in den Fokus.
Für Stephan Morgenstern ein packendes Abenteuer von Anfang: Ein Freund fragte ihn, ob er mit nach Persien kommen wolle, 17 Jahre alt war er damals, Gymnasiast ohne Lust aufs Abitur. Er ist mitgefahren auf eine spannende, dreimonatige Reise, die Mutter gab ihm eine Kamera und Filme mit. So kam er mit den ersten eigenen Fotografien zurück – und einer Obsession fürs Leben.

„Eine außerordentliche künstlerische Begabung“ erkannte Fotografen-Legende Otto Steinert auf den ersten Blick und nahm Stephan Morgenstern prompt an der Essener Folkwangschule auf – ohne Abitur, aus einem Feld von 4000 Bewerbern. Nach dem Studium begann Morgenstern 1979 als Pressefotograf, arbeitete für Zeitungen und Zeitschriften wie die Frankfurter Rundschau, Der Spiegel, Spiegel-Online, Merian, Brigitte. Er gestaltet Reiseführer, Ausstellungen, Bildbände, Multimedia-Schauen, verbindet Fotografie mit neuen Medien. Unter anderem produzierte er mehr als 500 Audioslideshows für die iPad-Ausgabe der Frankfurter Rundschau. 2016 erhielt er mit der Journalistin Michaela Böhm den Grimme Online Award für ihre gemeinsame Reportage „Trappeto - ein italienisches Dorf wandert aus“.
Mit seiner Kamera streift er unermüdlich durch die Lande, fängt Geschichten von Menschen, Landstrichen, ihren Eigenheiten und Wandlungen ein. Das Zabergäu, das Hohenloher Land – seine Bild-Audio-Produktionen sind längst auch bei Touristikbüros und Kulturämtern begehrt. Morgenstern taucht ein ins Leben, mitreißend, mit offenem Blick.