Chothia, Farrokh

*Indien

Mit dem Ziel Schönheit zu definieren, hat sich Farrokh Chothia vermutlich eine Lebensaufgabe gestellt. Denn was als schön oder attraktiv wahrgenommen wird, ist nicht nur abhängig von der jeweiligen Kultur, sondern wandelt sich auch rasant. Was heute noch angesagt ist, kann morgen schon wieder buchstäblich von gestern sein.

An Chothias Arbeiten scheinen jedoch jene Stimmungsschwankungen abzuperlen wie der Schmutz an einer Lotusblüte, und so ist seine klassische Interpretation von Grazie, Anmut und Ästhetik das zentrale Erkennungsmerkmal seiner Bilder.

Da Farrokh Chothia selbst wenig Wert auf seine eigene Vita legt, soll sich auch diese Ausstellung vor allem um seine Leidenschaft für schöne Frauen, Mode und Tanz drehen. Und schon taucht es wieder auf - das kleine Wörtchen "schön". Was steckt eigentlich dahinter und wer bestimmt, was schön ist? Obwohl Schönheit sicher immer im Auge des Betrachter liegt, lassen sich doch über alle Gesellschaften hinweg gewisse Grundkriterien entdecken. Und Farrokh Chothia hat seit den Achtziger Jahren das indische Schönheitsideal deutlich mitgeprägt.

Nachdem er sich den Umgang mit Kamera, Film und Entwickler zunächst als Autodidakt erschlossen hatte, wurde er 1989 Assistent der berühmten Bildjournalistin Mary Ellen Mark, Später avancierte er zu einem der gefragtesten Fashion- und Beauty-Fotografen der Welt und ist heute die unbestrittene Nummer 1 in Indien. Er fotografierte unter anderem für Lux, Swatch, Coke und L'Oreal. Der bekannte indische Schriftsteller Suketu Mehta schreibt über seine Bilder: "Die Frauen zeigen sich Farrokh in ihren intimen und natürlichen Momenten. Auf vielen seiner Portraits strahlen die Models eine tiefe, nahezu spirituelle Ruhe und Ausgeglichenheit aus."

Auch wenn Chothia bei seinen Auftragsarbeiten mittlerweile auf digitales Handwerkzeug umgestiegen ist, bleibt er bei seinen freien Werken der analogen Fotografie treu. In der Dunkelkammer holt er letztlich die feinen Nuancen aus seinen Prints heraus.

Farrokh Chothias Bilder zeigen, dass Indien nicht nur aus Elend und in Armut lebenden Menschenmassen besteht, sondern eine kleine wohlhabende Elite den Anschluss an die westlichen Nationen sucht. Mit ihrem Aufstreben wurden auch die internationalen Topmagazine wie Cosmopolitan, ELLE oder Vogue auf den indischen Markt aufmerksam. Selbstverständlich mussten die Magazine an die Bedürfnisse der Inder angepasst werden, und keiner traf besser ihren ästhetischen Geschmack als Farrokh Chothia. Seine damalige Freundin, ein erfolgreiches Fotomodel, knüpfte die ersten Kontakte zur Szene, die ihn bis heute in ihren Bann zieht.

Eines hat er sich während seiner gesamten Karriere bewahrt: ein großes Maß an Weltoffenheit und Toleranz. Seine bezaubernden und sehr sinnlichen Aufnahmen spiegeln dabei das Lebensgefühl und die Anmut einer ganzen Generation wieder. Dem Fotografen ist es gelungen, das Bild der modernen, indischen Frau in die Welt zu tragen. Einer Frau, die ihre Reize nicht versteckt, sondern selbstbewusst präsentiert. Zurzeit erlebt Chothia jedoch mit Sorgen eine konservative Bewegung innerhalb der indischen Gesellschaft, so dass viele Modelle auf eine Zusammenarbeit mit ihm verzichten, da sie durch freizügige Fotos einen Nachteil für die Karriere befürchten. Es bleibt also zu hoffen, dass sich auch weiterhin hübsche Frauen auf eine Begegnung mit Farrokh einlassen.